The Unlearning Channel
Von jali
Seit dem 4.4. gibt es in Deutschland einen neuen privaten Fernsehsender. Der Name dieses neuen Programms ist auf den ersten Blick vielversprechend: TLC heißt das Programm, das steht (oder besser: stand) für The Learning Channel. Das klingt erstmal interessant, nach Fernsehen mit Bildungsauftrag. Nach eigener Ankündigung richtet sich der Sender vor allem an Frauen zwischen 20 und 49.
Wer jetzt aber spannende Dokumentationen oder ein feministisch angehauchtes, politisches Programm erwartet, sieht sich getäuscht. TLC ist ein US-amerikanisches Kabelnetzwerk, dass international vor allem für die Sendung Toddlers & Tiaras bekannt ist, einem Trash-Format in dem drei bis sechsjährige Kinder gezeigt werden, die von ihren überambitionierten Müttern zu Kinder-Schönheitswettbewerben gezerrt werden.
Dabei hat der Sender in den USA tatsächlich 1972 als staatlich gefördertes Bildungsfernsehen begonnen. Unter dem Namen Appalachian Community Service Network vom Department of Health, Education and Welfare und der NASA ins Leben gerufen, strahlte der Sender in den Anfangsjahren Programme über Gesundheit, Wissenschaft und natürlich die Informationsprogramme der NASA aus. So konnten z.B. Shuttle-Starts auf dem Sender live verfolgt werden. 1980 wurde der Sender privatisiert und in The Learning Channel umbenannt. Die NASA zog sich aus dem Programm zurück, und gründete mit NASA TV einen eigenen Sender.
Seit den 1990er Jahren hat der Sender versucht mehr Zuschauer anzulocken, in der er sich verstärkt auf Unterhaltungsprogramme konzentrierte, vor allem auf Reality und Scripted-Reality Formate.
Zu den größten Erfolgen des Senders zählt das bereits genannte Toddlers & Tiaras. Seit etwa 2010 expandiert der Sender weltweit, nun also auch in Deutschland.
Die Sendungen sind meist Formate, die direkt aus dem US-Programm übernommen wurden, wie Cake Boss, in dem es um Backwettbewerbe geht.
Die gute Nachricht, von Toddlers & Tiaras bleiben deutsche Zuschauer erstmal verschont, vielleicht hatte man Sorge die deutsche Medienaufsicht würde hier einschreiten. Stattdessen gibt es das Spin-Off Hier kommt Honey Boo Boo, in der die sechsjährige Alana Thompson, Künstlername “Honey Boo Boo”, und ihre prollige Familie gezeigt, oder besser, vorgeführt wird.
Auch der Rest des angeblichen Programms für Frauen ist nicht viel besser. Alles dreht sich um Mode, Sex oder -Achtung Skandal!- Frauen jenseits der 40, die jüngere Männer lieben, sog. Cougars!
Mal ernsthaft: 100 Jahre Frauenbewegung, und dann sowas? Kein Klischee, dass nicht zu blöd ist, um nicht geritten zu werden, kein Stereotyp wird ausgelassen.
Ich habe in der Programmbeschreibung dieses Senders nicht eine einzige Sendung gefunden, die eine kritische Auseinandersetzung mit irgendeinem Thema vermuten lässt, oder auch nur den Hauch einer Chance hätte den Bechdel-Test zu bestehen. Für einen Sender, der sich hauptsächlich an ein weibliches Publikum richtet, ist das ernüchternd.
Etwas neues bekommt die Zuschauerin ohnehin nicht geboten, die Konzepte sind ebenso austauschbar, wie bei allen anderen Sendern, und ob man nun RTL, Sat1 oder TLC schaut erkennt man ohnehin nur noch am Senderlogo.
Dabei könnte man so viel Neues probieren, bei Youtube feiern Frauen wie Danica McKellar (die Älteren unter euch kennen sie vielleicht noch in der Rolle der Winnie Cooper aus der Serie Wunderbare Jahre) , Vi Hart oder Cara Santa Maria gerade große Erfolge mit populärwissenschaftlichen Programmen, die sich sicher auch auf die Mattscheibe bringen ließen. Vergleichbares habe ich bislang weder im deutschsprachigen Internet, noch auf deutschen Fernsehschirmen gesehen.
So bleibt also nur die Hoffnung, dass auch das deutsche TLC den Weg gehen wird, den vorher schon der Frauensender TM3 gegangen ist.